Bericht „Ein Rathaus ohne Ratssaal: Das ist jetzt Realität“
Stimberg Zeitung 03. August 2024
Beim ersten flüchtigen Lesen dachte ich zunächst an einen verspäteten Aprilscherz – ein Rathaus ohne Ratssaal, wie geht das? Doch der Zusatz in der Überschrift schafft Klarheit: Das Rathaus ohne
Ratssaal ist jetzt Realität in Oer-Erkenschwick.
Diese Stadt dürfte damit erneut unangenehme Schlagzeilen produzieren, denn ein Rathaus ohne einen Ratssaal kann man sich nur schwer vorstellen.
Man fragt sich, wer hat – meines Wissens nach ohne offiziellen Ratsbeschluss – wann entschieden, den alten Sitzungssaal nicht mehr, wie zunächst geplant, zu renovieren, sondern dauerhaft zu beseitigen? Im entsprechenden Zeitungsartikel von Regine Klein vom 3. August ist nur die Rede vom „zuständigen Dezernenten“ Heinz Schnettger. Bürgermeister Carsten Wewers oder der Stadtrat werden gar nicht erwähnt. Stattdessen hat offenbar die Verwaltung unter Leitung des „zuständigen Dezernenten“ – für viele Oer-Erkenschwicker gilt er als der „heimliche Bürgermeister“ – während der urlaubsbedingten Abwesenheit des gewählten Bürgermeisters Fakten geschaffen, den bisherigen Ratssaal total leergeräumt und aus einem Saal zwei große Räume mit neuem Mobiliar gemacht.
Die im Zeitungsartikel zitierte Äußerung Schnettgers, „die Durchführung der Sitzungen des Rates und der Ausschüsse in der Stadthalle würde gut funktionieren“, mag aus seiner „Bühnen-Sicht“
nachvollziehbar sein. Doch als Mitglied des Stadtrates und erst recht als Zuhörer bei den Ratssitzungen hat man einen ganz anderen Eindruck. Nur wenige Ratsmitglieder haben ein Mikrofon zur
Verfügung oder sie benutzen es erst gar nicht, so dass man weder als Ratsmitglied noch als interessierter Zuhörer in dem riesigen Saal der Stadthalle im Gegensatz zum kommunikationsfreundlicheren
bisherigen Sitzungssaal oft gar nicht versteht, was gerade gesagt wird. Leider scheint das die Verwaltung nicht sonderlich zu interessieren. Das widerspricht einer demokratisch notwendigen
Teilhabe am Verlauf sowie an der Entscheidungsfindung in einer eigentlich „öffentlichen“ Ratssitzung, und man fragt sich als politikinteressierter Bürger, warum soll man überhaupt eine
Ratssitzung besuchen, wenn man die Diskussionsbeiträge insbesondere der Mandatsträger sowieso nicht hören kann? Oder womöglich gar nicht hören soll?
Zu guter Letzt bleibt die Frage, wo denn das Mobiliar des alten Ratssaals geblieben ist. Vielleicht hätte es ja für den einen oder anderen Sessel Interessenten gegeben, wenn er von der Umwidmung
des bisherigen Ratssaals gewusst hätte.
Rainer Lewe
(stellv. Vorsitzender der UWG Oer-Erkenschwick e.V.)
(Der Leserbrief wurde am 14.08.2024 als Stellungnahme unter dem Titel „Stadt produziert erneut unangenehme Schlagzeilen“ in der Stimberg Zeitung veröffentlicht.)