Sitzung des Rates am 26.11.2020 – Anfrage der UWG gemäß § 55 Ziffer 1 Satz 2 GO NRW
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
in der Ratssitzung am 02.11.2020 wurde ein 3. Stellvertretender Bürgermeister gewählt, der laut Ratsinformationssystem auch Fraktionsvorsitzender ist.
Gemäß Entschädigungsverordnung NRW § 4, Ziffer 2 mit Stand vom 10.11.2020 erhalten Stellvertreter des Bürgermeisters, die gleichzeitig Fraktionsvorsitzende oder stellvertretende
Fraktionsvorsitzende sind, in dieser Doppelfunktion nur eine zusätzliche Aufwandsentschädigung gemäß §§ 1 bis 3 EntschVO, da
beide Funktionen auf demselben Mandat gründen.
Davon abweichend berichtete am 07.11.2020 die Lokalpresse, dass dieses Ratsmitglied für seine Tätigkeit als 3. Stellvertretender Bürgermeister „geschätzte 25.000
Euro bis 2025“ als zusätzliche Aufwandsentschädigung erhält. Dem ist seitens der Verwaltung oder des betroffenen Ratsmitgliedes bislang nicht widersprochen worden, was bei vielen Bürgern zu
Irritationen führt. Daher bitte ich die Verwaltung um Klärung folgender Frage:
Welche zusätzliche Aufwandsentschädigung erhält ein Ratsmitglied, dass in Doppelfunktion gleichzeitig weiterer Stellvertretender Bürgermeister und Fraktionsvorsitzender bzw.
stellvertretender Fraktionsvorsitzender ist?
Ich bitte um eine schriftliche Beantwortung.
Mit freundlichen Grüßen
Helmut Lenk
(Ratsmitglied)
Mündliche Antwort des Bürgermeisters:
Das Ratsmitglied erhält keine Aufwandsentschädigung als Fraktionsvorsitzender.
Was in der Presse steht, ist nicht immer richtig. Er, der Bürgermeister, hätte keine Zeit, alles richtig zu stellen.
Die Stimberg Zeitung schreibt am 07.11.2020:
DIE WOCHE
Einmal Filz, immer Filz
Von Jörn Tüffers
Da hat doch jemand ein sicheres Gespür dafür bewiesen, was in finanziell angespannten Zeiten politisch angemessen ist – und was eben nicht. In geheimer Abstimmung hat ein Mitglied der extra
großen Koalition im Rat aus CDU, SPD, FDP und BOE/Linken auf sein Gewissen und sein Verantwortungsbewusstsein gehört und gegen einen dritten stellvertretenden Bürgermeister gestimmt. Das ist in
dieser Woche nun Karl-Heinz Rusche (BOE) geworden, als Vertreter von Bürgermeister Carsten Wewers, seinem Stellvertreter Hannes Kemper (SPD) und dessen Stellvertreterin Christina Hinz (CDU).
Können Sie noch folgen?
Wir befinden uns nach wie vor in Oer-Erkenschwick, einer Kleinstadt am nördlichen Rand des Ruhrgebiets mit rund 32.000 Einwohnern. Von der hatte eine überregionale Tageszeitung mal geschrieben,
dass sie wegen ihres Filzes berühmt sei. Dazu beigetragen hatte in jenen Jahren eben jener Karl-Heinz Rusche, damals noch SPD-Vorsitzender. Um eine Parteispendenaffäre ging es, um nicht weniger
als 80.000 Euro. Nicht minder aufsehenerregend: 2004 trat er gegen den SPD-Kandidaten Alfred Schlechter als unabhängiger Bewerber für das Bürgermeisteramt an. Am Ende obsiegte der ehemalige
CDU-Landtagsabgeordnete Hans-Joachim Menge. Seither stellt die SPD keinen Bürgermeister mehr in ihrer einstigen Hochburg, von der jemand mal geschrieben hat, die Oer-Erkenschwicker würden auch
einem Besenstil mit Partei-Logo zujubeln.
Die SPD scheint Rusche verziehen zu haben, dass er die Partei einer solchen Zerreißprobe ausgesetzt hat. Und die CDU ist ihm offenkundig bis heute dankbar dafür, dass sie in der Stimbergstadt
schalten und walten kann, wie sie möchte; schließlich demontiert sich die SPD zunehmend selbst. Bisheriger Höhepunkt war der Verzicht auf einen Bürgermeister-Kandidaten. Doch auch die
Unterstützung für Rusche, der in seiner bewegten politischen Vita 2009 auch eine Kandidatur für die UBP zu bieten hat, zeugt von Aufgabe von Werten, Prinzipien und von Moral. Das ist insofern
bemerkenswert, da die Sozialdemokraten in vielen anderen Städten des Kreises nach einer Serie von Wahlniederlagen darum bemüht sind, mit frischen Ideen und neuem Personal verlorenes Vertrauen
der Bürger zurückzugewinnen. In Oer-Erkenschwick scheint sich die SPD dagegen damit zu begnügen, noch irgendwie mitmachen zu dürfen und ein paar Posten zu besetzen.
Rusche erhält 25.000 Euro in fünf Jahren
Das Kalkül der CDU geht damit auf. Und sie gewinnt durch die Schwäche der SPD an Stärke – und platziert ihrerseits ihr politisches Personal an aussichtsreichen und lukrativen Plätzen: Lars Ehm
kandidiert für den Bundestag, Martina Eißing wurde Stellvertreterin des neuen Landrats Bodo Klimpel.
Ach ja. Den Steuerzahler kostet der dritte Bürgermeister geschätzte 25.000 Euro bis 2025. Man darf gespannt sein, wie viele Hände von Jubilaren er in dieser Zeit wird schütteln dürfen.
Aufwandsentschädigungen
Die Höhe der Aufwandsentschädigungen wird in der Entschädigungsverordnung (EntschVO) des Landes Nordrhein-Westfslen geregelt. Danach betragen für eine Stadt wie Oer-Erkenschwick mit einer
Einwohnerzahl zwischen 20.001 und 50.000 Einwohnerinnen und Einwohnern die monatlichen Aufwandspauschalen (Stand 10. November 2020):
• | 313,00 € | Ratsmitglieder (m/w/d) | 1-facher Satz | |||||
• | 939,00 € | erste Stellvertretung (m/w/d) des Bürgermeisters | 3-facher Satz | zusätzlich | ||||
• | 469,50 € | zweite und dritte Stellvertretung (m/w/d) des Bürgermeisters | 1,5-facher Satz | zusätzlich | ||||
• | 626,00 € | Fraktionsvorsitzende (m/w/d) bei Fraktion mit bis zu acht Mitgliedern | 2-facher Satz | zusätzlich | ||||
• | 939,00 € | Fraktionsvorsitzende (m/w/d) bei Fraktion mit mehr als acht Mitgliedern | 3-facher Satz | zusätzlich | ||||
• | 469,50 € | stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden (m/w/d) bei Fraktion mit mehr als acht Mitgliedern | 1,5-facher Satz | zusätzlich |
Aufwandsentschädigungen können auch nebeneinander bezogen werden, wenn sie auf mehreren Ämtern beruhen. Stellvertreterinnen und Stellvertreter des Bürgermeisters, die gleichzeitig
Fraktionsvorsitzende oder stellvertretende Fraktionsvorsitzende sind, erhalten aus diesen Funktionen nur eine zusätzlich
Aufwandsentschädigung.