Haushaltsrede 2016

Ratssitzung am 10. Dezember 2015 15:00 Uhr


Der erste Blick auf den Entwurf der Haushaltssatzung ließ mich zunächst an meiner Sinneskraft zweifeln. Denn wie eine Fata Morgana präsentierte sich mir nach vielen Jahren haushalterischer Extremdürre ein positives Jahresergebnis von nahezu 160.000 Euro plus. Womöglich ein Zahlendreher, redaktioneller Fehler oder gar Black-Out des Kämmerers, der sich plötzlich als Bedeutungsträger des vom lateinischen fatum abgeleiteten Begriffs „Fata“ sah, nämlich Götterspruch, Weissagung, Schicksal aber auch Verhängnis? Mitnichten.


Im Haushaltssanierungsplan 2016 erschließt sich im eng geschnürten Budget-Korsett eine kalkulatorische Meisterleistung des Kämmerers, um der Bezirksregierung zielführende Hilfestellung für eine Genehmigung unseres Haushaltes zu geben. Ein durchaus verständliches Ansinnen, rechnerisch richtig auf dem Papier, aber leider nicht nachhaltig belastbar in der lokalen Alltagswirklichkeit.


Diese zeigen uns einige wohl eher als Erwartungshoffnung eingepreiste Grundstückserlöse, ein drohender millionenschwerer Kassensturz bei den Zinsspekulations­geschäften, die im siebenstelligen Bereich weiter exorbitant steigenden Leistungen für soziale Leistungen und die völlige Ungewissheit, wie viele Flüchtlinge morgen vor unserer Tür stehen und menschliche, aber auch finanzielle Hilfe erwarten.


Dieses haushalterische Szenario ist aber nicht der Hauptgrund, weshalb die UWG dem Entwurf der Haushaltsatzung 2016 nicht zustimmen kann:


Wir lehnen seit Jahren die Sanierung der Stadtkasse auf Kosten der Bürger ab. Steuererhöhungsmaßnahmen anstatt ernsthafter Sparbemühungen ist immer der einfachste, aber auch schlechteste Ausweg. Beispiel: die überhöhten Hebesätze für die Gewerbesteuer, die ortsansässige Firmen nachweislich verstärkt nach einer Standort­verlagerung suchen lässt oder die ihre Steuern lieber außerhalb von Oer-Erkenschwick zahlen oder Firmen, die erst gar nicht nach Oer-Erkenschwick kommen. Diese Steuererhöhungspolitik schafft nicht mehr Arbeitsplätze, sondern festigt langfristig nur den Leerstand und vernichtet Arbeitsplätze vor Ort.


Beispiel Grundsteuer B: Wer in Oer-Erkenschwick bereits gebaut hat, der hat heute nur noch die Alternativen: doppelt so viel zahlen, verkaufen oder wegziehen. Mit dieser Art von Wohnbesteuerungspolitik werden Hausbesitzer und Mieter dauerhaft in „Zahlungshaft“ genommen. Das ist keine Option für die UWG.


Dies gilt gleichermaßen für die exorbitant gestiegenen Kassenkredite in Höhe von 130 Millionen Euro. Wer hier den Gürtel nicht enger schnallt, wird auch kein Bauchkneifen als Anlass zum Abnehmen spüren.


Unbestritten bleibt, dass die Kostenlawine im Wesentlichen externe Ursachen hat. Die UWG möchte zudem unserem neuen Bürgermeister eine faire Startchance geben und ihn nicht für politische „Altlasten“ seines Vorgängers abstrafen. Deshalb stimmt die UWG bei Punkt 1. nicht mit „Nein“, sondern wir enthalten uns.


Seit Jahren hören wir aus der Verwaltung, eine Mitgliedschaft in der Einkaufsgemeinschaft für NRW Kommunen (KoPart) – trotz nur einmaliger 750 € Beitrittskosten – lohnt nicht, geht nicht, wollen wir nicht. In über 90 NRW-Kommunen ging das und hat sich gelohnt, nämlich eine sächliche Kostenersparnis in Höhe von 10 – 20 % und viele eingesparte Arbeitsstunden für Entwicklung von Leistungsverzeichnissen und Bewerbungsbedingungen, Entwurf formaler Verdingungsunterlagen oder Bewertung eingehender Angebote. Viel Zeit, die nun für andere Aufgaben zur Verfügung steht. Herr Schnettger und Herr Krähling signalisieren daher eine neue konstruktive Denkrichtung, da sie unseren interfraktionellen Vorschlag am 04.12.2015 zustimmend aufgenommen haben, dass sich KoPart dem Rat einmal vorstellt.


Ergebnis optimierende neue Denkanstöße erwarten wir deshalb gleichermaßen bei den Problemlösungen in der Abwasserentsorgung. Auch hier bietet der StGB NRW mit seiner „Abwasserberatung NRW e.V.“ insbesondere kleineren Städten eine unabhängige Anlaufstelle zur Verfügung für alle technischen, organisatorischen und juristischen Fragen zur Kostenentwicklung und damit Gebührenentwicklung der kommunalen Abwasserbeseitigung. Eichendorff- und Kantstraße lassen grüßen. Wir stellen daher Antrag 1:


Der Rat beauftragt die Verwaltung, Vertreter der „Einkaufsgemeinschaft für NRW-Kommunen (KoPart)“ und der „Abwasserberatung NRW e.V.“ zur nächsten öffentlichen Sitzung des Rates oder ggf. zuständigen Fachausschusses mit der Bitte einzuladen, ihr Leistungsspektrum vorzustellen und für Fragen zur Verfügung zu stehen.


Bislang konnte man oft den Eindruck gewinnen, dass vor Antritt unseres neuen Bürgermeisters im Rathaus das ungeschriebene Gesetz galt: Eine unserer liebsten „Pflichten“ ist es, selber Aufträge vergeben zu dürfen. Und: Wir „dürfen uns nicht“ von anderen sagen lassen, was wir besser machen könnten. Vorschläge, die Hilfe hochqualifizierter Fachleute vom Bundes der Steuerzahler anzunehmen, die landesweit schon unzähligen Kommunen erfolgreich bei ihrer Haushaltssanierung geholfen haben, wurden bislang von der Verwaltung schroff abgelehnt.


Wir möchten trotzdem dieses kostenfreie Beratungsangebot des Bundes der Steuerzahler NRW für die kommunale Haushaltsentwicklung künftig noch zielführender nutzen und stellen daher Antrag 2:


Die Verwaltung wird beauftragt, im Jahr 2016 frühzeitig vor Beginn der nächsten Haushaltsberatungen in Verwaltung und Rat einen Vertreter des Bundes der Steuerzahler für ein gemeinsames Analyse-Gespräch zum Thema „Haushalt O-E 2017“ einzuladen.


In der Prioritätenliste wird der Verkauf des alten Kanal-TV-Wagens ausgewiesen. Die Kosten für eine Neuanschaffung können bei 350.000 Euro liegen. Langfristig sollten hier Möglichkeiten einer Privatisierung in die Kostenkalkulation einbezogen werden. Eine ortsansässige Fachfirma übernimmt diese Aufgaben bereits erfolgreich in acht Städten des Kreises Recklinghausen. UWG stellt daher Antrag 3:


Die Verwaltung wird beauftragt, (vor Kauf eines neuen TV-Wagens) die Vergabe von TV-Untersuchungen von Haupt- und Anschlusskanälen innerhalb von Oer-Erkenschwick inklusive Spül- und Sanierungsarbeiten insbesondere an ortsansässige Fachunternehmen zu prüfen und dem Rat bzw. zuständigen Fachausschuss zeitnah, aber in jedem Fall vor Anschaffung oder Leasing eines neuen TV-Untersuchungswagens zu berichten.


Da die UWG ungeachtet mancher politischer Meinungsverschiedenheiten die Haushaltssanierung unserer Stadt auch weiterhin konstruktiv unterstützen will, stimmen wir Punkt 2, nämlich der Fortschreibung des Haushaltssanierungsplanes, zu. Denn es erscheint wenig sinnhaft, Anträge zur Haushaltssanierung zur Abstimmung zu stellen, wenn man gleichzeitig den Haushaltssanierungsplan ablehnt.



Vorgetragen von Helmut Lenk, Fraktionssprecher
(Es gilt das gesprochene Wort)


 




Der Rat beschließt:
 

Abstimmungsergebnis Antrag 1:
 

  Ja Nein Enthaltung
Bürgermeister      
SPD      
CDU      
Grüne      
Linke      
BOE      
UWG      
UBP      

 

einstimmig X


Der Antrag ist angenommen.
 

Abstimmungsergebnis Antrag 2:
 

  Ja Nein Enthaltung
Bürgermeister 1    
SPD 1 13  
CDU 9    
Grüne 3    
Linke   2  
BOE 2    
UWG 2    
UBP 2    

 

einstimmig  


Der Antrag ist angenommen.
 

Abstimmungsergebnis Antrag 3:
 

  Ja Nein Enthaltung
Bürgermeister 1    
SPD   14  
CDU 9    
Grüne 3    
Linke   2  
BOE   2  
UWG 2    
UBP 2    

 

einstimmig  


Der Antrag ist abgelehnt.