Haushaltsrede 2011

Ratssitzung am 27. Januar 2011 14:00 Uhr


Eine ad hoc Umfrage vom BdSt bei über 60 Kommunen belegt jetzt eindrucksvoll: Unsere Oer-Erkenschwicker Verwaltungsspitze ist in ganz NRW unvergleichlich. 524 Seiten HH-Entwurf als Suchwälzer mit 3 Versuchsansätzen, die Seiten chronologisch zu paginieren. Dazwischen immer wieder jungfräuliche Seiten, die der Leser individuell durch­nummerieren darf. Ein Horrorszenario, wenn eine Bö diese Blätter erfasst und der ganze Haushalt vom Winde verweht.


Wie hatte unserer Kämmerer zum Zeitpunkt seiner Vorgriffsbeförderung nach A16 dem Sinne nach gesagt: „Demnächst werde ich nur noch als Konkursverwalter der Stadt auftreten!“ Herr Schnettger, Sie haben mit dieser beruflichen Prognose haushaltswirtschaftliche Voraussicht gezeigt.


Die Stadt hat (nachzulesen auf der 3. Seite § 1 Ergebnisplan) als Jahresergebnis fast 13 Mio. Mehrausgaben als Einnahmen, Tendenz dramatisch steigend. Mit der Negativauswirkung, dass das Kassenkreditvolumen von 80 auf unfassbare 120 Mio. „Schuldeneuro“ erhöht werden soll. Dies hält die UWG für verantwortungslos gegenüber unseren Kindern und Enkeln, denen wir diesen Schuldenberg vererben. Ebenso erschreckend, dass wir laut Änderungsliste 2011 (Ergebnisplan Aufwand) mehr als die gesamten Steuereinnahmen als Kreisumlage abgeben müssen, 16,2 Mio. Euro allein in 2011, und der Kreis als eigentlicher Gewinner bei einer Erhöhung der Schlüsselzuweisung jetzt erneut kräftig zulangen wird.


Der Pleitegeier kreist nicht mehr über Oer-Erkenschwick, er hat bereits zum Sturzflug angesetzt. Erwarten auch uns Nottulner Verhältnisse? Die beschauliche Münsterlandgemeinde hat notgedrungen für alle Hausbesitzer die Grundsteuer B auf 590 v.H. hochgeschraubt, den höchsten Satz in ganz NRW.


Ein für viele Bürger leidiges Thema sind die Gebühren für die Abwasserbeseitigung. Die UWG hält einen kalkulatorischen Zinssatz von 7 % wie viele andere Städte im Kreis weiterhin für völlig unangemessen. Nach dem NKF legt die Gemeindehaushaltsverordnung NRW in § 35 Ziffer 1 fest, dass kalkulatorische Zinsen nach Anschaffungs- und Herstellungskosten berechnet werden müssen. Davon abweichend hat das OVG NRW am 13.04.2005 entschieden (AZ: 9A3120/03), dass auch eine Abschreibungskombination aus Anschaffungsrestwert und Wiederbeschaffungszeitwert zwar rechtlich nicht zu beanstanden, aber keineswegs zwingend notwendig ist, sondern den Kommunen finanzielle Gestaltungsmöglichkeiten zum Wohle ihrer Bürger eröffnet. Nach einer Befragung des BdSt hat sich Dorsten hier mit 6 % im Sinne seiner Bürger entschieden. Herten liegt bei 6,4 %, Castrop-Rauxel, Marl und Waltrop bei 6,5 %, Haltern bei 6,7 %.


Oer-Erkenschwick will aber gegen die Stimmen von UWG und FDP den Bürgern wieder tief in die Tasche greifen, obwohl wir jedes Jahr mit schwarzen Ergebniszahlen gute Gewinne bei der Gebührenbedarfsberechnung für die Entwässerung und Abwasserbeseitigung machen. Allein in 2011 sollen wieder 1.883.759 € Gebührenüberhang im Haushalt verschwinden (S.205, Nr. 29), um nach dem Gesamtdeckungsprinzip die beiden großen Oer-Erkenschwicker Verlustbringer im Haushalt zu finanzieren.


Mit jeder Toilettenspülung spülen die Oer-Erkenschwicker Bürger als Ihren Solidaritätsbeitrag Ihr Geld ins MARITIMO und in die Stimberg- und Stadthallen GmbH und subventionieren diese letztlich mit Ihrem Wasserverbrauch.



MARITIMO (Doppischer Produktplan S. 183 ff)


Dieses für Oer-Erkenschwick finanziell völlig überdimensionierte Bad kostet die Stadt jedes Jahr über eine Million Euro, das sind an jedem Tag des Jahres über 3.000 Euro. Das MARITIMO soll die Entwicklung bzw. Stärkung des Freizeit- und Tourismusstandortes voranbringen, gibt der Produktplan als primäres Ziel vor. Doch der Betreiber liefert seit 2006 keine Zahlen, die belegen, inwieweit dieses Ziel erreicht worden ist. Wie viele Oer-Erkenschwicker Bürger besuchen das Bad überhaupt? Auch hier verweigert der Betreiber des MARITIMO jegliche Angaben und verhindert damit die von der UWG bereits mehrfach geforderte Kosten-Nutzen-Analyse und objektivierbare Zukunftsplanungen.


Stattdessen Rückstellungen in Millionenhöhe für unglaubliche Baumängel an diesem Badneubau. Der UWG liegt der Prüfbericht mit zahlreichen Beweisfotos über die Elektroinstallation im Saunabereich des MARITIMO vor, der für die auf Gebäudeschäden spezialisierte Gutachterin Frau Dr. Antje Lotz in Wuppertal erstellt wurde. Wenn ich den lese, komme ich ins Schwitzen, auch ohne dass der Saunaofen hochgefahren wird.


Der Antrag 1 soll Optionen ausloten und bewerten, die für die Zukunftssicherung des MARITIMO eine wesentliche Tragweite haben können.


Antrag 1: MARITIMO


Die Verwaltung wird beauftragt zu prüfen, inwieweit ein Verkauf des MARITIMO zum Beispiel im Rahmen einer interkommunalen Zusammenarbeit im Kreis Recklinghausen an gegebenenfalls zu gründende Stadtwerke (im Rahmen der Neuvergabe der Leitungsnetze) oder auch an Gelsenwasser rechtlich möglich ist und welche finanzielle Auswirkungen ein Verkauf auf den städtischen Haushalt haben könnte.



Stimberg- und Stadthalle (Doppischer Produktplan S.137 ff.)


Die Ziele für die Stimberg- und Stadthalle sind eindeutig vorgegeben:

  1. Zielvorgabe: Sicherstellung eines kulturellen Angebotes

    Dass kulturelle Veranstaltungen stattfinden, wird zunehmend unsicherer. Sie wurden von 9 (2006) auf 5 (2008) reduziert oder fallen laut Verwaltung und Presse immer häufiger aus. Das bedeutet eine Reduzierung des städtischen kulturellen Angebotes um ca. 45 % in 3 Jahren.

    Für 2011 weist der Terminplan der GmbH (siehe Homepage der Stadthalle) noch keine einzige städtische Kulturveranstaltung aus, obwohl laut II. Sondervereinbarung (§ 1 Ziffer 3) zum Pachtvertrag mit der Stimberg- und Stadthallen GmbH der Pächter zur Vorlage eines städtischen Veranstaltungskalenders mit fester Termingestaltung bis zum 30.11. eines jeden Jahres verpflichtet ist.
    (unterschrieben von: Schlechter + Schnettger)
     
  2. Zielvorgabe: Steigerung der Besucherzahlen

    Diese sinken kontinuierlich von 2.760 in 2006 auf geplante 2.039 bzw. real gezählte 1.245 in 2008 (Rückgang der Besucherzahlen bei städtischen Kulturveranstaltungen je nach Schätzwert zwischen ca. 26 % und ca. 55 % in 3 Jahren). Seit Juli 2008 liegen der Stadt trotz wiederholter Aufforderungen gar keine Besucherzahlen mehr vor.
     
  3. Zielvorgabe: Reduzierung des Zuschussbedarfs

    Der „Zuschussbedarf für den Verpachtungsbetrieb von Stimberg- und Stadthalle“ reduziert sich nicht, sondern steigt kontinuierlich jedes Jahr um mehrere Tausend Euro auf mittlerweile 390.374 Euro. Dieser Betrag erklärt sich, wenn ich auf Seite 138 im Doppischen Produktplan die Werte aus Zeile 13 (Aufwendungen für Sach- u. Dienstleistungen) und Zeile 16 (sonstige ordentliche Aufwendungen) addiere und dann die privatrechtlichen Entgelte (Zeile 5) davon subtrahiere.

    Ein Betrag, der übrigens fast genauso hoch ist wie der für sämtliche Zuschüsse an alle Kindergärten unserer Stadt (Freiwillige Leistungen S.47).


Der Antrag 2 der UWG zur Stimberg- und Stadthalle soll dokumentieren, dass angesichts all dieser Negativergebnisse unbedingt Handlungsbedarf geboten ist, der nicht allein in die Zuständigkeit der Verwaltung gelegt, sondern auch in Hinblick auf Top 13 durch eine Beschlussfassung des Rates legitimiert wird.


Antrag 2: Stimberg- und Stadthallen GmbH


Die für die Durchführung der städtischen Kulturveranstaltungen an die Stimberg- und Stadthallen GmbH zweckgebundenen zu zahlenden Zuschüsse werden von der Stadt solange einbehalten, bis der Pächter die von der Stadt bereits wiederholt eingeforderten Kennzahlen der städtischen Kulturveranstaltungen und den bilanziellen Jahresabschluss 2009 der Stadt zur Verfügung gestellt hat und die laut Vertrag durchzuführenden städtischen Kulturveranstaltungen im Veranstaltungskalender der Stimberg- und Stadthallen GmbH (siehe Homepage der Stadthalle) verbindlich ausgewiesen sind.


Begründung:


Die Stadt als Eigentümerin der Stadthalle und der Rat als verantwortlicher Entscheidungsträger für die hohen öffentlichen Zuschüsse an die Stimberg- und Stadthallen GmbH des Herrn Skodell können seit dem zweiten Halbjahr 2008 trotz wiederholter Aufforderungen nicht mehr verifizieren, zu welchen städtischen Kulturveranstaltungen wie viele Besucher überhaupt gekommen sind und wie sich die Bezuschussungshöhe bei Besuchern und Veranstaltungen in den letzten zweieinhalb Jahren entwickelt hat. Auch durch diese Verweigerungshaltung des Pächters ist seit nunmehr zweieinhalb Jahren keine objektivierbare Kosten-Nutzen-Analyse für die Stadt als öffentlicher Zuschussgeber mehr möglich.



Neue Mitte I


Bei aller Euphorie um die Neue Mitte II darf der Zustand der Neuen Mitte I nicht verdrängt werden. Die Neue Mitte I bleibt weiterhin ein unverzichtbares zentralinnerstädtisches Infrastrukturelement des tertiären Sektors, das in seiner Gesamtbausubstanz nicht weiter verrotten darf. Das wird ohne finanzielle Anstrengungen aller drei Anteilseigner nicht zu leisten sein. Die UWG hat große Sorgen, dass Frehe, der Besitzer der seit über zwei Jahren leer stehenden 40 Wohnungen, nach seiner damaligen äußerst großzügigen Wahlkampfspende an die SPD mit ihrem Vorsitzenden Herrn Rusche nun finanziell etwas klamm auf der Brust ist, was sich bei der Renovierung des von ihm erbauten maroden Parkdecks ja schon abzeichnete.


Die UWG stellt daher vorsorglich zur Neuen Mitte I den Prüfauftrag 3.


Antrag 3: Neue Mitte I
 

  • Falls Anfang Oktober 2010 eine Begehung der Neuen Mitte I stattgefunden hat, die zu einer Schätzung von Sanierungskosten in Höhe von etwa 1,2 Mio. Euro geführt hat, wird die Verwaltung beauftragt zu prüfen, ob für die Sanierung der Bauschäden an der Neuen Mitte I zusätzliche Haushaltsmittel bereit gestellt werden müssen oder ob der – ggf. durch einen gerichtlich bestellten Gebäudegutachter im Rahmen eines Beweissicherungsverfahrens ermittelte – Betrag über die Rücklage der Eigentümergemeinschaft zur Verfügung steht.
     
  • Die Verwaltung wird ergänzend beauftragt zu prüfen, inwieweit es sich bei der notwendigen Sanierung um eine Pflichtaufgabe handelt, zum Beispiel um Gefahren für Passanten und Besucher der Neuen Mitte I abzuwehren.
     
  • Die Verwaltung wird weiterhin beauftragt zu prüfen, welche Folgewirkungen es für die Gesamtimmobilie Neue Mitte I haben könnte, wenn einer der beiden anderen Anteilseigner – zum Beispiel der seinerzeitige Bauträger Frehe – sich an der anteilmäßigen Kostenübernahme für die notwendige Sanierung nicht beteiligen möchte oder kann. Zu klären wäre dann auch, welcher rechtliche und haushaltswirtschaftliche Handlungsbedarf für die Stadt daraus erwachsen könnte.



Der Haushaltsentwurf 2011 weist sicherlich Positionen auf, die auch die UWG vorbehaltlos unterstützen kann, sei es im Sozial- oder Jugendbereich, im Feuerwehrwesen oder bei der Unterstützung der Tierauffangstation.


Einige Kröten im Haushalt können wir als UWG jedoch nicht schlucken. Zum Beispiel die Höhe der Kassenkredite, die Gewerbesteuersätze, der Zinssatz bei den Abwassergebühren, das MARITIMO als „Badefass“ ohne Boden und natürlich der Verpachtungsbetrieb von Stimberg- und Stadthalle.


Ein für die UWG wesentlicher Kritikpunkt ist jedoch, dass diesem Haushaltsentwurf eine überzeugende politische Zielperspektive und ein klares Profil fehlen. Wir können nur neidisch nach Recklinghausen schauen, wo der CDU-Mann Pantförder deutliche kommunale Akzente gesetzt hat. Auch im Rathaus, wo im persönlichen Mitarbeiterstab des Bürgermeisters erfrischende politische Duftnoten spürbar sind. Das vermisst die UWG in Oer-Erkenschwick.


Die UWG kann dem Haushalt 2011 nicht zustimmen, weil er politische Zielvorstellungen beinhaltet, die mit dem Politikverständnis der UWG nicht vereinbar sind. Oer-Erkenschwick „Quo vadis?“ Diese Frage meinen SPD und CDU in kommunalpolitischer Seelengemeinschaft wohl alleine entscheiden zu können. Bei so viel gemeinsamen Schnittmengen entsteht jedoch schnell Kongruenz und es stellt sich dann rasch die Frage, wo ist das Original und wer ist das Plagiat. Da Lars Ehm unbestritten ein wesensharter Oerscher Junge ist, und Klaus Schild ein willensstarkes Oer-Erkenschwicker Urgestein, werden wir die Antwort sicherlich spätestens am Ende dieses Superwahljahres 2011 erfahren.



Vorgetragen von Helmut Lenk, Fraktionssprecher
(Es gilt das gesprochene Wort)