Oer-Erkenschwick befindet sich in einer riesigen Schieflage. Den städtischen Erträgen von 61.275.636 € stehen Aufwendungen in Höhe von
70.248.028 € gegenüber (HH-Satzung: § 1). Wir machen also erneut einen riesigen Verlust, allein in 2009 ca. 9 Mio. €. Doch damit nicht genug, denn wir sollen mit der HH-Satzung
80 Mio. neue Kassenkredite genehmigen, die dann fast 20 Mio. € höher als die laufenden Erträge im Etat sind. Solch einer Schuldenpolitik kann die UWG nicht zustimmen.
Da die Ausgleichsrücklage schon seit 2008 weg ist, folgt jetzt der Zugriff auf das Eigenkapital (Vorbericht: S. 37). Da auch in den Folgejahren Verluste zu
erwarten sind, erwartet uns bereits 2013 der vollständige Eigenkapitalverzehr. Oer-Erkenschwick ist dann „insolvent“ und die „Stadt gehört den Banken“. Wir
befürchten, dass es dann nur noch eine Frage der Zeit ist, bis Oer-Erkenschwick auch seine politische Selbstständigkeit verliert und erneut die Frage auftaucht, warum wir nicht als Vorort von
Recklinghausen im dortigen Rathaus mitverwaltet werden können.
Für diese katastrophale Entwicklung ist unbestritten auch der Kreis mitverantwortlich. Die ca.15,8 Mio. Euro Kreisumlage nimmt uns mehr als unsere gesamte Netto-Gewerbesteuer
und Einkommenssteuer-Beteiligung wieder weg und größere Hilfen von außen wird es wohl nicht geben. Oer-Erkenschwick wird sich um die Sanierung des Etats alleine kümmern müssen.
Als kleinen Lichtblick erkennen wir, dass der HH-Entwurf für das Superwahljahr keine weiteren Steuererhöhungen ausweist. Gleichwohl hat der Gewerbesteuersatz von Oer-Erkenschwick inzwischen das
Niveau einer Großstadt, was wir wie im letzten Jahr auch heute wieder für die Wirtschaftsförderung völlig kontraproduktiv halten.
Angesichts dieser desaströsen Finanzentwicklung müssen wir leider feststellen, dass der Bürgermeister und sein für das Finanzwesen zuständiger Mitarbeiter – bei uns auch Kämmerer genannt –
offensichtlich überfordert sind, allein aus dem riesigen Schuldenloch herauskommen. Wir als Rat sind quasi politisch entmündigt und überflüssig, denn nahezu alle wesentlichen Entscheidungen
werden uns durch die katastrophale Finanzlage vordiktiert. Als vom Bürger gewählte Ratsvertreter müssen wir endlich wieder unsere Selbstständigkeit bei unseren kommunalpolitischen Festlegungen
erlangen. Daraus folgt: die Zeit ist reif für einen „Sparberater“, der den Rat und den Verwaltungsvorstand mit externem Fachwissen z.B. im Rahmen der Finanzkommission bei der Suche nach
Sparpotentialen beratend unterstützt. Die Stadt Bergneustadt im Bergischen Land hat gezeigt, dass es ein Glücksfall und bereichernd ist, wenn ein unbestrittener Fachmann vom Bund der
Steuerzahler als ausgewiesener Kritiker der Kommunalfinanzen ehrenamtlich, d.h. ohne teure externe Fachgutachten, bei den Sparberatungen mit am Tisch sitzt.
Die UWG sagt unverändert Ja zum Bau der Neuen Mitte II. Wir halten dies aber nur dann für sinnvoll, wenn der neue Baukörper mit dem bereits bestehenden Zentrum in ein
architektonisches Gesamtkonzept eingebunden wird. Dies werden wir bei der Vorstellung der Planungskonzepte deutlich akzentuieren und fordern. Es wäre für die Infrastruktur unserer Innenstadt
katastrophal, wenn der Bau der Neuen Mitte II in der Neuen Mitte I neben den bereits unbewohnten Wohnungen auch noch einen weiteren Leerstand bei den Verkaufsflächen zur Folge hätte. Die Stadt
ist Miteigentümerin dieses Gebäudekomplexes und muss deshalb ungeachtet offenkundiger Funkstille zwischen Bürgermeister und Hahngruppe ein existentielles Interesse an seinem Werterhalt als
Immobilie und Einkaufszentrum haben.
Die UWG hält die Überlegungen der Stadt Datteln für folgerichtig, ihre Stadthalle zu privatisieren, um spürbar Kosten zu sparen. Stimberg- und Stadthalle kosten
uns ca. 475.000 Euro pro Jahr. Die sieben Veranstaltungen des städtischen Kulturprogramms könnte die Stadt wesentlich billiger haben. Direkt vor unserer Haustür bieten die Ruhrfestspiele und das
Theater Marl ein breit gefächertes hochwertiges kulturelles Angebot an, aus dem unsere Bürger für fast jeden Geschmack etwas auswählen können, wie es während der Bauphase der Neuen Mitte I
bereits erfolgreich praktiziert wurde. Die UWG wird daher den Verkauf der Stadthalle zum Beispiel an einen Trägerverein oder Privatmann, der nicht wie der GmbH-Geschäftsführer Skodell trotz
massiven Widerstandes der UWG von der Stadt sogar die 5.500 Euro jährlich für seinen Wirtschaftsprüfer erhält, zu einem Kernthema der kommenden politischen
Auseinandersetzung machen.
Auch die Stadtbücherei gehört angesichts unserer Schulden auf den Prüfstand. Bei einem prognostizierten Aufwand von über 300.000 Euro und 1600 Lesern kostet in
2009 jeder Leser die Stadt fast 190 Euro. Wir meinen, dass wir hier noch stärker in Kindergärten, Schulen, in öffentlichen Einrichtungen und bei der VHS für das Medienangebot „Stadtbücherei“
werben müssen, um damit den Zuschussbedarf je Ausleihe zu reduzieren (interkommunaler Mittelwert: 1,95 / Oer-Erkenschwick: 3,18).
Wir haben im Haushalt nicht erkennen können, welche Grundstücke noch im Besitz der Stadt vorhanden sind und welchen aktuellen Verkehrswert sie haben. Zu klären wäre daher, welche Grundstücke noch
verkauft werden können, um Erlöse für den Schuldenabbau zu erwirtschaften.
Unser großer Freizeitleuchtturm am Rande der Haard verkommt zunehmend zum Fegefeuer für jene Finanzutopisten, die auf die Warnungen der UWG nie hören wollten. Dieses Bad wird, wie von uns warnend
vorausgesagt, zum Fass ohne Boden, und ein nachhaltiges Krisenmanagement unseres Bürgermeisters ist nicht erkennbar. So zahlen wir Bürger jeden Tag rund 2.500 Euro nur an
Zinsen für das weit über 20 Millionen Euro teure auf Pump gebaute Maritimo, und angesichts der unglaublichen baulichen Mängel dürfte noch
einiges dazu kommen. Nur den Eintritt in dieses Wellness-Paradies können sich die meisten Oer-Erkenschwicker nicht mehr leisten, die wohl nicht zu der Klientel gehören, die der
Maritimo-Geschäftsführer laut Presse offensichtlich so sehr schätzt. Das Freibad, einst die überregional beliebte Modell-Freizeitanlage, wird vom Betreiber dagegen nur noch sporadisch geöffnet
und bis zur Existenzfrage auf Sparflamme runter gefahren.
Die UWG ist nicht bereit diese finanzpolitische Erblast, die in der Regierungszeit des damaligen großen SPD-Vorsitzenden Karl Heinz Rusche geboren wurde und uns, unseren Kindern
und Enkeln nun das nächste Vierteljahrhundert und länger am Halse hängt, mit zu tragen und mit zu verantworten.
Die UWG wird angesichts der desaströsen Kassenlage heute keine Anträge stellen, aber die von uns aufgezeigten Überlegungen, noch stärker als bisher die Schuldenlast für unsere Kinder abzubauen,
in die politische Positionierung der UWG pointiert und unverkennbar einbringen. Die Haushaltssatzung und den Haushaltsentwurf 2009 können wir trotz einiger auch von uns akzeptierter Ansätze, wie
den Feuerschutz oder die Sinn schaffende Jugendinitiative JOE, insgesamt und als Ganzes aufgrund der vorgetragenen Vorbehalte nicht mittragen.
Vorgetragen von Helmut Lenk, Fraktionssprecher
(Es gilt das gesprochene Wort)